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Demokratie lernen in der Schule

Das niedersächsische Landesprogramm SCHULE:KULTUR!  hat das Ziel, Kulturelle Bildung in den Schulalltag zu integrieren. Die Schulen können sich dafür gemeinsamen mit einem außerschulischen Kulturpartner und einem Kooperationsvorhaben bewerben. Das Programm begeistert Schüler_innen aller Jahrgänge für kulturelle Aktivitäten und kreatives Schaffen. Bereits über 100 Schulen und 90 Kulturpartner_innen haben sich mit SCHULE:KULTUR! weiterentwickelt. 

Für das Jahr 2025 gab es als einen von fünf Förderschwerpunkten das Thema »Kulturelle Bildung und Demokratiebildung«. Die Bundesakademie im Gespräch mit Projektreferentin Jacqueline Streit und Bildungsreferentin Anna Erichson.

ba•: Warum gibt es in der aktuellen Projektlaufzeit den Schwerpunkt Kulturelle Bildung und Demokratiebildung?
Jacqueline Streit:
In der Verschränkung von Kultureller Bildung und Demokratiebildung sehen wir bei SCHULE:KULTUR! folgendes Potential:
Kulturelle Bildung eröffnet Räume, in denen Schüler_innen sich kreativ ausprobieren, gestalten und ihre Perspektiven sichtbar machen können. Damit wird Demokratie im Kleinen erfahrbar: Partizipation, Mitbestimmung und Aushandlungsprozesse finden nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch statt. Gleichzeitig schafft Kultur Möglichkeiten, Vielfalt nicht nur zu tolerieren, sondern produktiv einzusetzen – unterschiedliche Stimmen, Ausdrucksformen und Lebenswelten kommen ins Gespräch und werden anerkannt. Das ist ein zentraler Kern demokratischer Praxis. Hinzu kommt, dass Demokratiebildung mit Methoden der Kulturellen Bildung nicht abstrakt oder normativ vermittelt wird, sondern sinnlich erfahrbar, lebendig und persönlich relevant. Darüber hinaus fördert kulturelles Gestalten genau jene Kompetenzen, die für demokratisches Miteinander entscheidend sind: Konflikte konstruktiv verhandeln, Kompromisse finden, Neues gemeinsam entwickeln. Und nicht zuletzt erweitert Kulturelle Bildung gesellschaftliche Teilhabe. Insofern entsteht durch die Verbindung beider Bereiche ein Erfahrungsraum, der Demokratie nicht nur lehrt, sondern erlebbar und gestaltbar macht.
Demokratiebildung in der Schule ist nicht nur deshalb elementar, weil sie junge Menschen befähigt, gegen Extremismus, Desinformation und Polarisierung gewappnet zu sein, sondern auch, weil Kompetenzen vermittelt werden, die Schüler_innen in ihrer Selbstfindung stärken und ihre Haltung formen, so dass sie mündige und verantwortungsvolle Teile unserer Gesellschaft werden.
Heute haben Eltern aus den unterschiedlichsten Gründen immer weniger Zeit, ihre Kinder vollumfänglich in ihrer Entwicklung zu begleiten. Daher ist es zunehmend eine Aufgabe der Schule ganzheitlicher zu werden. Hier bietet Kulturelle Bildung genau die externe Brille, Methodik und Haltung, die Schule braucht, um sich sinnvoll weiterzuentwickeln.

ba•: Wie wurde der Förderschwerpunkt im Vergleich zu anderen angenommen?
Jacqueline Streit: Tatsächlich stieß das größte Interesse auf den Förderschwerpunkt »KuBi und Demokratiebildung« - in diesem Jahr können wir hier 8 Kooperationen fördern. Im Vergleich dazu sind es im Schwerpunkt »KuBi und Bildung für nachhaltige Entwicklung« 5 Kooperationsteams, 1 Team bei »KuBi und KI« und 6 bei »KuBi und Diversität«.

ba•: Welche Projekte laufen in diesem Rahmen?
Anna Erichson: 
Die Kultureinrichtungen erhalten eine Förderung durch die Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Nds. (LKJ) und setzen in Kooperation mit den Schulen ganz verschiedene Projekte der Demokratiebildung mit Prinzipien und Methoden der Kulturellen Bildung um. Unterschiedliche künstlerische Sparten, inhaltliche Schwerpunktsetzungen, Formate und Methoden sowie die verschiedenen Schulformen und angesprochene Altersgruppen werden berücksichtigt. Ich nenne daher drei Projekte beispielhaft.
Unter dem Motto »Deine Stimme für Demokratie« hat z.B. der Verein Kulturkontor Hannover mit Schüler_innen der IGS Roderbruch Poetry Slam-Workshops durchgeführt. Diskussionsrunden und Recherchen zu aktuellen gesellschaftlichen Themen, Wahlprozessen und Meinungsfreiheit dienten als Grundlage für die Entwicklung eigener Texte und ermöglichte den Schüler_innen, fundierte und reflektierte Standpunkte in ihren poetischen Werken zu vertreten. Der Höhepunkt des Projekts war ein Poetry Slam in der Aula der Schule.

In einem anderen Projekt haben die Schüler_innen der IGS Wedemark unter Anleitung der örtlichen Jugendkunstschule gemeinsam Mosaike an den Schulmauern gestaltet und so ein Bewusstsein für gemeinschaftliches Handeln bekommen. Um am Ende ein gemeinsames Werk zu schaffen, wurden verschiedene Perspektiven und Meinungen respektiert sowie Kompromissbereitschaft, Kommunikation und Teamarbeit geübt. Die Bedeutung Einzelner (Teile) für das große Ganze haben die Schüler_innen ganz praktisch erfahren. Darüber hinaus ist dieses Projekt auch ein tolles Beispiel für die aktive Teilhabe der Schüler_innen an der Gestaltung ihres Lern- und Lebensortes Schule.

Dass Demokratiebildung auch ganz viel mit unserer Vergangenheit zu tun hat, konnten wiederum die Schüler_innen des 9. Jahrgangs der IGS Melle in Kooperation mit »Varusschlacht - Museum und Park Kalkriese« erleben. Am 8. Mai 2025 hat sich das Ende des Zweite Weltkriegs zum 80sten Mal gejährt. Dieser Tag, der wie kein anderer für die doppelte Befreiung von Krieg und Nationalsozialismus und einen Neuanfang steht, haben die Schüler_innen zum Anlass genommen, um den Blick auf aktuelle, internationale Konflikte in der Welt zu richten und zu verdeutlichen, dass Kriege keine abstrakte Vergangenheit, sondern bittere Realität sind. Dazu entwickelten die Schüler_innen »Zeichen des Friedens« – als kreatives Statement mit kraftvollen Botschaften. Noch bis zum 2. November sind diese Friedenszeichen im Museumspark ausgestellt.

ba•: Welche Themen/ Inhalte/ Methoden wurden in den Fortbildungsveranstaltungen dazu gesetzt?
Anna Erichson: Welche Potentiale bietet die Kulturelle Bildung zur Förderung demokratischer Werte wie Partizipation, Vielfalt und Gerechtigkeit? Wie politisch ist Kulturelle Bildung? Wie können Methoden und Prinzipien der Kulturellen Bildung demokratiebildend wirken? Wie gelingt es dabei, Kinder und Jugendliche zu stärken und Erfahrung von Selbstwirksamkeit zu ermöglichen? Und was bedeutet dies für die eigene Vermittlungspraxis in Bezug auf die eigene Rolle, Aufgaben sowie Entscheidungs- und Gestaltungsmacht?
Diesen Fragen sind wir in der Fortbildung nachgegangen. Die Teilnehmenden haben durch Inputs zu Partizipation und Prozessen der Entscheidungsfindung konkrete Anregungen für ihr Projekt und ihre Vermittlungspraxis an der Schnittstelle von Kultureller Bildung und Demokratiebildung erhalten. Doch vor den Methoden und den Inhalten steht die Haltung als Kulturvermittler_in. Die Reflexion persönlicher Werte sowie des eigenen Selbst- und Rollenverständnisses standen daher auch im Fokus.