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Soziale Arbeit und Kulturelle Bildung

Welche unterschiedlichen Ziele  Kulturelle Bildung und Soziale Arbeit verfolgen - und welche fruchtbaren Synergien entstehen können, war Thema des Eröffnungsvortrags den unsere Direktorin Vanessa Reinwand-Weiss bei der Praxis-Fachtagung der Franckeschen Stiftungen halten durfte. Wir haben ihr dazu drei Fragen gestellt.

ba•: In welchem Verhältnis stehen die beiden Disziplinen Soziale Arbeit und Kulturelle Bildung zueinander?
Vanessa Reinwand-Weiss: 
Aktuell wird wieder viel über die Zusammenarbeit von Kultureller Bildung und Sozialer Arbeit diskutiert. Dieses Thema ist nicht neu: während es in den Diskursen der 1980er Jahre aber darum ging, ein neues Verständnis von sozialer Kulturarbeit zu etablieren und Kulturelle Bildung gegen Exklusion und Elitenbildung zu verteidigen, stehen heute andere Motive im Fokus. So fühlen sich viele Professionelle in der kulturpädagogischen, aber auch sozialen Arbeit überfordert, angesichts der Herausforderungen, mit denen Kinder und Jugendliche, Organisationen und wir als Gesellschaft konfrontiert sind. Sie suchen nach neuen Methoden und Möglichkeiten für Zugänge und mehr Teilhabe. Die finanziellen und personellen Ressourcen für pädagogische Arbeit werden immer knapper und so versucht man bildungs-, kultur- und sozialpolitisch neue Allianzen zu schmieden. Bedeutsam erscheint mir jedoch in jeder Zusammenarbeit, dass die einzelnen Professionen ihr individuelles Profil bewahren und beispielsweise Kulturelle Bildung nicht zur bloßen Methode wird, denn dann verliert sie ihre Kraft für Möglichkeitsräume und neue Perspektiven.

ba•: Welche gemeinsamen Ziele lassen sich aus den beiden Disziplinen erschließen?
Vanessa Reinwand-Weiss: 
Beide Disziplinen versuchen in ihren Angeboten die Stärken des Subjektes zu betonen und diese zu unterstützen und sich an den Interessen und Lebenswelten der Teilnehmenden zu orientieren. Die Soziale Arbeit wie auch die Kulturelle Bildung arbeitet ganzheitlich, d. h. nicht nur durch Wissensvermittlung, sondern auch affektiv oder physisch. Beide Professionen sehen sich verantwortlich dafür, Individuen Selbstwirksamkeitserfahrungen zu ermöglichen und das Erlebnis von Gestaltungsmacht zu wiederholen, um deutlich zu machen »Du machst einen Unterschied!«. Anhand kultureller Bildungsprozesse machen wir die Erfahrung von Widerständigkeiten, nicht alles gelingt vielleicht sofort und lernen Resilienz und Perspektivenvielfalt. Beides Bildungsziele, die auch der Sozialen Arbeit inhärent sind.

ba•: Welche Herausforderungen ergeben sich aktuell für Kinder & Jugendliche und wie kann die Kulturelle Bildung gemeinsam mit der Sozialen Arbeit darauf reagieren?
Vanessa Reinwand-Weiss: 
Der 17. Kinder- und Jugendbericht, der letztes Jahr erschienen ist, zeigt, dass Aufwachsen in Deutschland von zahlreichen Herausforderungen geprägt ist. Darunter die Folgen der Pandemie, Migration und Fluchterfahrung, Klimagerechtigkeit oder auch Demokratiefeindlichkeit. Die Kommission des Bildungsberichtes macht deutlich, dass ein gerechteres Aufwachsen nötig ist und setzte vor allem auf Prävention, indem sie betont, dass (junge) Menschen nicht als Betroffene, sondern als Gestaltende ihrer Lebenswelt zu sehen sind und ihre Perspektiven und Teilhabe in den Vordergrund zu stellen sind. Ein starkes Plädoyer also für Kinderrechte, Mitgestaltung und damit auch eine Steilvorlage für Kulturelle Bildung. Ältere Menschen bestimmen bei uns zulande die Politik und treffen Entscheidungen, die langfristig Auswirkungen haben, die sie selbst nicht mehr erleben werden. Demokratie heißt aber auch, die Interessen aller auszutarieren. Kulturelle Bildung empowert Menschen darin, neue Wahrnehmungs-, Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten ihrer eigenen Lebenswelt zu entdecken und zu entwickeln – sie ist das Gegenteil einer Ohnmachtserfahrung.