Zur Navigation springen Zum Inhalt springen

Auf Leben und Tod

Erinnerungen an Doris Gercke

Welch ein Glück, dachte ich, als mir Doris Gercke im April 2001 ein Krimiseminar für das Folgejahr zusagte. Damals war ich gerade erst zwei Jahre Programmleiter Literatur und sehr glücklich, in absehbarer Zeit mit einer solch bekannten Krimiautorin arbeiten zu dürfen. »Ich möchte Ihnen allerdings zu bedenken geben«, schrieb Doris Gercke im Vorfeld, »daß ich keinen Unterschied mache zwischen ‚U‘ [unterhaltender Literatur] und ‚E‘ [ernster Literatur] und deshalb an die Seminarteilnehmer auch bestimmte Anforderungen an die Ernsthaftigkeit ihrer Absichten stelle«.

Das hörte sich gut an und nach einer Autorin, die ihren Job an der Akademie gewissenhaft und engagiert bestreiten würde. Und so leitete Doris Gercke 2002 gemeinsam mit mir ihre allererste Literaturwerkstatt unter dem Titel »Auf Leben und Tod oder wie man einen Krimi schreibt«. Von den Erfahrungen der Autorin der Bella-Block-Krimis konnten die Autorinnen und Autoren ihrer Werkstatt wunderbar profitieren, und ich freute mich, dass Doris Gercke nach der gelungenen Premiere Lust hatte auf weitere Werkstätten.

Unvergessen auch Doris Gerckes Beitrag zur Jurek-Becker-Tagung (sie sprach dort über die Aktualität von Beckers Roman »Bronsteins Kinder«) und ihr burschikoses Statement zu Literaturgruppen und zum Kreativen Schreiben: »Ich hatte noch nie das Bedürfnis, mich einer Schreibwerkstatt anzuschließen (…). Ich war nie und bin auch heute noch nicht davon überzeugt, dass mit solchen Einrichtungen Menschen, die etwas zu sagen haben und außerdem der Literatur auf die Beine geholfen wird. Das ist, vielleicht, ein Vorurteil, das ich vermutlich so lange hätscheln werde, bis man mich vom Gegenteil überzeugt hat.«

Die Werkstattgruppen an der Akademie tickten für Doris Gercke offenbar anders, und so trafen wir uns in den Folgejahren zu Themen wie »Tod kennt kein Gebot oder Irgendeiner stirbt immer – aber wie?« (2004, Kurzkrimi), »Verbrecher, Versager, Verlierer« (2006, Kriminalroman) oder »Was wären wir ohne unsere Toten?« (2008, Kriminalroman). Darüber hinaus erzählte Doris Gercke im Literatur Labor Wolfenbüttel 2003 dem literarischen Nachwuchs davon, was es bedeutet, ein Leben als Krimiautorin zu führen.

Auch nach unseren Werkstattjahren war ich froh, dass der Kontakt zu meiner Dozentin vor allem über wechselseitige Postkarten zur Weihnacht hielt. Umso trauriger die Gewissheit, dass ich in diesem Jahr keine Weihnachtskarte von Doris Gercke bekommen werde. Sie ist am 25. Juli verstorben, und ich bin ihr dankbar für all die gemeinsame Zeit und den freundlichen Kontakt bis kurz vor ihrem Tod.

Kommentare (1)

  • Hanna

    vor 11 Stunden
    Oh je.
    War damals auch in einem der Gercke-Seminare.
    Schön und ertragreich war’s.

Schreibe einen neuen Kommentar

Weitere Beiträge im Blog

zurück zum Blog