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3 Fragen an John von Düffel

Er liebt die Langstrecke. John von Düffel ist Schwimmer, Läufer, Rennradfahrer und Schriftsteller. Und damit nicht genug: In Berlin lehrt er als Professor Szenisches Schreiben und arbeitet als Dramaturg am Deutschen Theater. Das macht er mit großer Freude und großer Disziplin. Wie anders sollten auch die vielen Berufe und ein Privatleben zu machen sein?

Im Herbst erschienen seine »Geschichten vom Sterben«. Ein Buch voller Schicksale, voller Short Storys letzter Wochen und Monate. »Das Sterben hat dramaturgische Muster, die zu einer guten Geschichte gehören«, sagt John von Düffel, »es gibt den Moment, wo man kämpft, wo man aufgibt.« Das klingt abgeklärt; das Buch ist jedoch alles andere als das. Es blickt unpathetisch und zugleich voller Gefühl auf den Übergang vom Leben zum Tod. Den Themen Tod und Sterben war auch die Werkstatt gewidmet, die John von Düffel einmal wieder nach Wolfenbüttel führte. Olaf Kutzmutz stellte ihm bei dieser Gelegenheit drei Fragen.

 

Wie sieht Deine Schreibwerkstatt aus?

Vor allem brauche ich frische Luft und einen freien Blick. Ich stehe zuhause sehr früh auf, habe keinen festen Platz und wandere mit dem Sonnenstand von Tisch zu Tisch. So kommt es vor, dass ich morgens am Schulschreibtisch meiner Tochter sitze, weil durch ihr Ostfenster bereits die Sonne scheint. Ab mittags, nachmittags sitze ich in unserem kleinen Wintergarten. Am liebsten gehe ich nach draußen, je nachdem mit Kladde oder Laptop auf den Knien. Und unterwegs ist meine Werkstatt oft der Zug.

Die Urszene meines Schreibens fand übrigens im Zimmer meines Bruders statt. Er war fünfzehn, ich siebzehn, und er hatte ein Südzimmer, das ich allmählich besetzte. Dort saß ich oft vom Nachmittag bis in den Abend hinein. An einem dieser Tage kam mein Bruder herein und sagte: »Das ist mein Zimmer!« Und ich: »Was sagst du als Laie eigentlich zu diesem Sonnenuntergang?«

 

Wie gut passt das Schreiben zu Deinen sonstigen Berufen?

Als Dramaturg und als Prof ist meine Arbeit stark auf szenisches Schreiben bezogen. Das ist gut, da in diesen höchst emotionalen und konfliktreichen Texten eine greifbarere Energie steckt als in der Prosa. Ein Theatertext fragt: »Was ist gerade wichtig? Verdichte es auf den intensivsten Moment.« Mit dieser Haltung befrage ich meine Prosatexte, was mich – hoffentlich – zu Dichte und Wesentlichkeit zwingt. Die Prosa schafft für mich eine Gegenwelt, etwas Stilleres, eine größere Intimität, als ich sie vom Theater kenne. Insofern ist das Prosaschreiben für meine Balance unerlässlich.

 

An welchem Punkt Deiner Schriftstellerbiographie befindest Du Dich?

Mir geht es vermutlich wie allen Autoren, die schon länger schreiben: Ich befinde mich in einer merkwürdigen Zwischenzeit. Ich habe Glück gehabt in meinem Autorenleben, reichlich Aufmerksamkeit erfahren und schätze die Treue meiner Leser und der Kollegen im Verlag. Ich fühle mich im Vollbesitz meiner schriftstellerischen Kräfte und habe genug gemacht, um einschätzen zu können, welche Grenzen mich reizen, was ich noch erreichen möchte. Das Material ist da, die Schreiberfahrung ausgereifter; gleichzeitig hat die Lust am Fabulieren nicht nachgelassen. Ich genieße diese ruhigere Zwischenzeit, auch auf Grund der Tatsache, dass ich in den Hype-Zeiten nicht glücklicher war als jetzt.

Gleichzeitig weiß ich: Der Literaturbetrieb findet nichts weniger interessant als einen Autor, der das neunte, zehnte, elfte Buch vorlegt. »John von Düffel schreibt ein Buch« ist keine Nachricht. Eine Nachricht wäre es erst, wenn ich mich mit fünfundsiebzig halb gelähmt aus dem Wasser schleppe und – vielleicht ein letztes Mal – Tinte aufs Papier bringen würde.

 

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