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Nachruf

Mit Eigensinn und Wohlwollen

Nachruf für Dr. Marianne Glogowski-Horstkötter (1943 – 2024). Wir erinnern an Marianne Glogowski-Horstkötter und ihre Zeit als Mitglied im Vorstand der Bundesakademie.

Dr. Marianne Glogowski-Horstkötter war von 1998 bis 2005 Vertreterin des Landes Niedersachsen im Vorstand des Trägervereins der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel e.V. Wir verlieren mit ihr eine langjährige Kollegin und Freundin der Bundesakademie und der Kulturellen Bildung.

Insbesondere in einer Phase des personellen Umbruchs und der Neuaufstellung der Bundesakademie Ende des letzten und Anfang des neuen Jahrhunderts brachte Marianne in besonderer Weise ihre landes- und kulturpolitische Kompetenz in die Vorstandsarbeit ein, aber auch ihre ermutigende Gelassenheit und ihr klares, wohlwollendes und freundliches Verhandlungsgeschick. Sie hat die Vorstandsberatungen jener Jahre und damit die Arbeit der Bundesakademie aktiv mitgestaltet und auch bei komplexen, widerstreitenden Interessenslagen dazu beigetragen, gute Rahmenbedingungen für die Bildungsarbeit zu erhalten. Das war damals nicht selbstverständlich.

Die Bundesakademie benötigte Ende der 1990er Jahre neben der personellen Erneuerung in Vorstand und Leitung einen deutlichen Modernisierungs- und Profilierungsschub. Marktradikale Politik hatte auch den Bildungs- und Kulturbereich entdeckt und verdichtete sich bald parteiübergreifend zur neoliberalen Hegemonie. Die Bundesakademie freilich entfaltete ihr institutionelles Selbstverständnis und die Kulturelle Bildung nicht vom Markt, sondern von den Künsten und ihrem Eigenwert her. Die Akademie geriet als im hohen Maß finanzhilfeabhängige Einrichtung schnell unter Legitimationsdruck. Erschwerend wirkte sich aus, dass im Umfeld die öffentlich geförderte Erwachsenen- und Weiterbildung, traditionell unterfinanziert, nun weitere Kürzungen der staatlichen Finanzhilfen erfuhr und in Teilen dem Bildungsmarkt überlassen wurde. Der Staat zog sich in dieser Phase immer mehr aus der gestaltenden bildungspolitischen Verantwortung zurück. Nicht von ungefähr wurde zunehmend auch nach dem Sinn und Zweck der Bundesakademie gefragt, verbunden mit der Idee, den Institutsgedanken aufzugeben und einzelne Fachbereiche aus der Bundesakademie herauszulösen, als „Profitcenter“ kommerziell zu verselbständigen oder, wie zum Beispiel der Fachbereich Musik, zugunsten des Landesmusikrates zu separieren. In dieser Gemengelage die Bundesakademie nach Außen und Innen, um der Sache willen zusammenzuhalten, zu stabilisieren und weiterzuentwickeln, das wurde zur zentralen Herausforderung.

Der Vorstand der Bundesakademie Wolfenbüttel bestand damals wie heute, aus zwei von der Mitgliederversammlung gewählten Vorstandsmitglieder - in jenen Jahren über mehrere Wahlperioden Dietrich Burggraf und der 2023 verstorbene Klaus Hoffmann, alternierend als Vorsitzender bzw. Stellv. Vorsitzender - und einer Vertreterin des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur. Dort war Marianne Glogowski-Horstkötter Referatsleiterin für Weiterbildung in der Kulturabteilung von Barbara Kisseler (spätere Senatorin in Berlin und Hamburg). Auch Kisseler war der Bundesakademie eng verbunden, nun aber sollte Marianne Glogowski-Horstkötter diese Aufgabe in Wolfenbüttel übernehmen. Der gesamte Vorstand war Ende 1998 neu gewählt worden. Im Frühjahr 1999 stieß Dr. Karl Ermert als neuer Direktor der Bundesakademie mit einer Vielzahl konzeptioneller Impulse und einem, heute würde man sagen, agilen und resilienten Management dazu. Begleitet wurde der Vorstand damals von der langjährigen, hoch geachteten Kulturpolitikerin und Vorsitzenden des Beirates Dr. h.c. Lore Auerbach.

In der Folgezeit gelang es, gerade auch mit aktiver Beteiligung von Marianne, ein gemeinsames kulturpolitisches und institutionelles „Mission Statement“ zu entwickeln und zu kommunizieren, ein gemeinsam getragenes kulturpolitisches Selbstverständnis, in dessen Mittelpunkt eine weiterentwickelte und attraktive, aber stabilisierte und in ihrem Bestand erhaltene, öffentlich abgesicherte sowie inhaltlich und organisatorisch zukunftsfähige  Bundesakademie stand – zum Nutzen der Kunst- und Kulturschaffenden und ihrer Multiplikator*innen ebenso wie zur kulturpolitischen Profilierung des Landes Niedersachsen und der kulturellen Bildung insgesamt. Marianne Glogowski-Horstkötter hatte dabei die schwierige Aufgabe, als Vertreterin des Ministeriums und als Vorstandsmitglieddes Trägervereins im Interesse der Bundesakademie zu agieren. Dass dies bei Wahrung aller Loyalitäten nur mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein und Chuzpe, wie sie Marianne zu eigen war, gelingen konnte, versteht sich von selbst.

Marianne Glogowski-Horstkötter zeichnete ein Eigensinn aus, der mit klaren Worten ohne „kultürliche Attitüden“ oder einem „Jargon der Eigentlichkeit“, der auch Profis zu eigen sein kann, auskam. Sie war von einer solidarischen Grundhaltung getragen und sagte, gelegentlich auch zur Überraschung aller Beteiligten, was aus ihrer Sicht zu sagen war: Kommt auf den Punkt! Wir müssen die gute Arbeit in den Fachbereichen nicht immer wieder neu rechtfertigen, wir sind die Bundesakademie! Diese Klarheit war von einer solidarischen Grundhaltung getragen, die gerade auch die persönliche Zusammenarbeit im Vorstand angenehm und erfolgreich machte.

In ihrerAmtszeit gelang es unter Federführung des Akademiedirektors Dr. Karl Ermert, im Konsens mit dem Landesmusikrat den Fachbereich Musik bei der Bundesakademie zu erhalten und bundesweit zu profilieren, vakante Stellen im Team der Fachbereichsleiter*innen zeitnah und kompetent wieder zu besetzen, in der inneren Organisation die Satzung und Geschäftsordnung zu entrümpeln und einvernehmlich in Teilen neu zu regeln sowie, gefördert vom Ministerium, sowohl Workshops zur Organisationsentwicklung als auch erstmals eine wissenschaftlich abgesicherte Teilnehmer*innenbefragung durchzuführen. Diese Befragung gab Aufschluss über Wirksamkeit, Reichweite und Qualität der Akademie, kein Testat heute üblicher „kundenorientierter“ Qualitätsprüfungssysteme, sondern eine ausgeprägt qualitative, aussagefähige Erfolgskontrolle. Diese Evaluation wurde dann in mehrjährigen Abständen bis heute wiederholt und weitergeführt und unterstreicht die erfolgreiche Arbeit der Bundesakademie.

Marianne Glogowski-Horstkötter hat diese Weichenstellungen aktiv mitgestaltet und dann auch im Ministerium für Wissenschaft und Kultur mitgetragen. Sie hat damit die Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung der Bundesakademie in herausfordernden Zeiten besonders gefördert. Marianne Glogowski-Hostkötter hat sich um die Kulturelle Bildung und die Bundesakademie verdient gemacht.

Nach Ausscheiden aus dem Vorstand hat sich Marianne persönlich mehr und mehr zurückgezogen. Am 28. September 2024 ist sie im Alter von bald 81 Jahren verstorben. Sie fehlt uns!

Dietrich Burggraf 
und mit ihm der amtierende Vorstand sowie das gesamte Team der Bundesakademie

 

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