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Vielstimmigkeit? Verhandlungen des Politischen im Theater

Eva Plischke und Frank Oberhäußer sind Gründungsmitglieder des Performance-Kollektivs Turbo Pascal.

Turbo Pascal interessiert, wie Menschen sich ihr Zusammenleben vorstellen und wie sie es organisieren. Dazu entwickelt das Kollektiv Installationen und Projekte, in denen das Publikum zu Beteiligten und Mitbestimmenden werden kann. Für ihre »theatralen Publikumsexperimente« ist die Gruppe 2018 mit dem Georg Tabori Förderpreis ausgezeichnet worden, dem wichtigsten Theaterpreis für die Freien Darstellenden Künste in Deutschland.
Aktuell bereitet Turbo Pascal zusammen mit unserer Programmleiterin Birte Werner eine besondere Veranstaltung für die Bundesakademie vor: »Vielstimmigkeit?! Verhandlungen des Politischen im Theater«, ein Fachtreffen mit Workshops vom 7. bis 9. Dezember. Dazu haben wir den Beiden paar Fragen gestellt:

Worum wird es bei »Vielstimmigkeit?!« gehen?

Eva Plischke: Gerade stellt sich in der Kunst und für kulturelle Einrichtungen auf vielen Ebenen die Frage: Wer spricht eigentlich noch mit wem, wer kann für wen sprechen, welche Stimmen werden auf Bühnen und in Institutionen repräsentiert und welche nicht. Da geht es natürlich auch um die Spaltung und den Rechtsruck in Deutschland und inwiefern Theater hier die Rolle spielen können, Orte des demokratischen Austauschs oder Streits zu sein, aber andererseits auch darum, dass Institutionen sich viel stärker selber befragen müssen, ob sie einer vielstimmigen und pluralistischen Gesellschaft entsprechen. Also der Begriff Vielstimmigkeit oder die Frage nach Vielstimmigkeit schien uns da passend zu sein, um diesen und ähnlichen Fragen ein Forum auf einer Tagung zu geben.

Ihr plant die Veranstaltung gemeinsam mit der Bundesakademie und der Bundeszentrale für politische Bildung seit einem Jahr - gab es so etwas wie eine Initialzündung dafür?

Frank Oberhäußer: Im Frühjahr 2018 haben wir mit Berliner Bürger*innen das Projekt Gala Global auf dem Vorplatz des Deutschen Theaters gezeigt, in dem es um vielstimmige Annäherungen an die Idee der Weltbürgerschaft ging. Und da mussten wir die Erfahrung machen, dass eine Aufführung von einer rechtsextremen Gruppegestört wurde und diese Störung vor allem in Form eine Videos im Netz verbreitet wurde, u.a. mit dem Vorwurf Gala Global sei Gesinnungstheater. In jüngster Zeit ist neben Störungen ja auch immer offensichtlicher geworden, wie auch auf kulturpolitischer Ebene die Kunstfreiheit angegriffen wird oder wie das Feld der Kunst für rechte Propaganda missbraucht wird. Und das hat zum einen zur Folge, dass man sich fragt, wie man sich schützen muss vor Angriffen und dem Druck von rechts, und wie man sich in der Kunst oder auch außerhalb der Kunst politisch positionieren kann oder muss, aber gleichzeitig weiterhin vielstimmige Verhandlungsräume – auch in einem politischem Sinne -  eröffnen kann, die immer auch über die eigene Perspektive hinausgehen.

Turbo Pascal ist auch im Programm vertreten. Werdet ihr »theatrale Publikumsexperimente« auf die Bühne bringen?

Frank Oberhäußer: Wir bieten einen der drei künstlerischen Workshops an und nutzen hierfür ein Format aus dem Stück »Böse Häuser«. Dabei geht es auch darum, sich in fremde Gedankenwelten hineinzudenken - Denkübungen in einem fremdartigen Denken.
Daneben werden wir mit zwei weiteren Formaten versuchen, den Austausch zwischen den Teilnehmer*innen in einem künstlerisch inszenierten Setting zu anzuregen.

Eva Plischke: Wir bringen in dem Sinne nichts auf die Bühne, aber wir nutzen ein paar Strategien, die wir auch in unseren interaktiven Publikumsexperimenten erprobt haben. Die bringen wir mit nach Wolfenbüttel.

An wen wendet sich die Veranstaltung?

Eva Plischke: An Menschen in der kulturellen und politischen Bildungsarbeit, und an Menschen, die selbst Kunst machen. Gerade diese Mischung finden wir interessant.

Und sie wendet sich an Menschen aus der gesamten Bundesrepublik, weil es wichtig ist, nochmal zu gucken, was heißt denn jetzt das kulturelle Tätigsein in verschiedenen Regionen Deutschlands? Zum Beispiel in Städten und auf dem Land. Es geht ganz stark darum, sich auszutauschen und zu erzählen, vor welchen Problemlagen oder auch Möglichkeiten man eigentlich gerade steht.

 Worauf freut ihr euch am meisten?

Frank Oberhäußer: Ich freue mich sehr auf den Workshop von Arne Vogelgesang. Arne Vogelgesang von der Gruppe internil beschäftigt sich seit Jahren mit den medialen Inszenierungen unterschiedlicher radikaler Gruppierungen, momentan mit einem Schwerpunkt auf rechten Gruppierungen. Ich hab neulich auf der „Theater und Netz“-Konferenz einen Video-Vortrag von ihm mitbekommen und war sehr begeistert.

Eva Plischke: Ich freue mich darauf, ein neues Format, den Chatroom, auszuprobieren, bei dem wir im Rahmen der Tagung alle Teilnehmenden in ein kommunikatives Spiel verwickeln wollen.

Außer Turbo Pascal sind dabei:
Dirk Laucke, der in seinem jüngsten Stück »Früher war alles« Menschen aus Freital zu Wort kommen lässt; Julia Roesler/werkgruppe2, die Erfahrung mit Gastspielen in Orten hat, in denen viele Menschen mit AfD und NPD sympathisieren; das Performance-Kollektiv Turbo Pascal, das Anleitungen zum Eintauchen in ein fremdes Denken gibt; Arne Vogelgesang, der die jüngere Geschichte rechter Medienstrategien im Internet nachvollzieht; Prof. Dr. Wolfgang Merkel, Direktor der Abteilung »Demokratie und Demokratisierung« am WZB und Professor für Politische Wissenschaft an der HU Berlin; Elisa Moser und Agnes Scharnetzky, Expertinnen der politischen Bildung.

Hier geht es zur Anmeldung und weiteren Infos.

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